Mantelgesellschaft - Alternative zum klassischen IPO

Voraussetzungen für einen Reverse IPO (Reverse Takeover)?

Geeignete Mantelgesellschaft

Börsenmantel ist nicht gleich Börsenmantel. Das liegt schon alleine daran, dass Mäntel auf verschiedene Arten entstehen können, nämlich im Zuge von Insolvenzen, Auflösungen, durch Aufgabe des operativen Geschäftes und durch Vorratsgründung. Es kann also unter einem Alt-Mantel und einem Neu-Mantel unterschieden werden:

Alt-Mäntel haben den Vorteil einer gewissen Börsenhistorie und einen gewachsenen Free-Float. Allerdings stellt sich dabei immer die Frage, inwieweit noch Altlasten in dem ehemals operativen Geschäft vorhanden sind.

Ein Neu-Mantel ist sozusagen eine börsennotierte Vorratsgesellschaft. Diese werden allein zu diesem Zweck gegründet und sofort gelistet, nur um sie als Mantel zu verwenden. Ein Beispiel ist die Yggdrasil SPAC 1 AG, die im April 2023 gegründet und im Oktober 2023 an der Börse Düsseldorf gelistet wurde, ohne dass neue Aktien ausgegeben wurden (direct listing).

Per Ultimo 2023 bestand deren Bilanz praktisch nur aus Eigenkapital und liquiden Mitteln. Man brachte also eine lastenfreie Vorratsgesellschaft, die eine sehr junge Historie mit praktisch vollständig erhaltenem Grundkapital vorweisen konnte, direkt an die Börse.

Auf der Suche nach deiner geeigneten Mantelgesellschaft kann leider weder auf eine Datenbank noch auf ein sonstiges Verzeichnis verwiesen werden. Es bleibt lediglich die Suche über eine Internetrecherche.

Geeignete Zielgesellschaft

Die Börsenreife stellt sich aus Sicht der Firmen (links) bzw. Sicht der Investoren (rechts) folgendermaßen dar (Quelle: Deutsche Börse):

Kriterium Status
Die Eckpunkte der Equity Story sind klar formuliert
Die wesentlichen Parameter des Emissionskonzeptes sind verabschiedet
GuV/Bilanz /Cashflow-Planung liegen für mind. 3 Jahre vor
Die Unternehmensplanung ist plausibel
Die Gründe des Börsengangs sind überzeugend
Das Rechnungswesen / Controlling kann die Informationsbedürfnisse der Investoren befriedigen
Die Folgepflichten des Being Public sind bekannt und werden von Management und Gesellschaftern akzeptiert
Die Unternehmensstruktur ist kapitalmarktgerecht
Kriterium Status
Attraktive Branche mit Wachstumspotenzial
Innovative Produkte, Alleinstellungsmerkmale
Erfolgreicher Track Record
Ausreichende Unternehmensgröße
Gute Unternehmensführung
Emissionsvolumen, das liquiden Handel ermöglicht
Überzeugende Begründung des Börsengangs
(Inter-)nationale Rechnungslegung
Leistungsfähiges Controlling- und Planungssystem
Attraktives Umfeld für Neuemissionen

Die Rechtsform einer Aktiengesellschaft (oder KGaA) ist nicht zwingend erforderlich, da die eingebrachte Gesellschaft später eine 100%-Tochter der Mantelgesellschaft ist. Die Einbringung einer AG ist natürlich möglich, allerdings entsteht dann ein 2-stufiges AG-Modell mit dem entsprechenden Verwaltungsaufwand. Eine spätere Verschmelzung zur Vereinfachung der Struktur ist möglich, allerdings entstehen dadurch ggf. steuerliche Themen auf Ebene der Gesellschaft und ggf. sogar auf Ebene der (ehemaligen) Gesellschafter.

Interne Strukturen und insbesondere das Rechnungswesen sollen durch eine interne Buchhaltung inkl. einer Bilanzbuchhaltung abgedeckt sein. Das Controlling und Berichtswesen stellt eine wichtige Funktion für das zukünftige Reporting dar und kann/muss durch ein unterjähriges Berichtswesen ergänzt werden

Die Firmengröße ist schwer zu definieren. Der Umsatz sollte bei mindestens 20 Mio. € liegen, bei einem nach Möglichkeit positiven Cash-Flow. Die Bandbreite ist dabei fließend, bei einem Umsatz von 20 Mio. € kann man ein funktionierendes Berichtswesen unterstellen (?). Der positive Cash-Flow ist sehr hilfreich, um nach der Einbringung nicht eine Kapitalerhöhung unter Zeitdruck durchführen zu müssen.

Für das Wachstum gilt: Umso größer, umso besser. Aber auch hier gibt es wieder eine Einschränkung: Wachstum muss auch organisatorisch verarbeitet werden. Ein immenses Wachstum ist wertlos, wenn darunter die Qualität leidet.

Alle genannten Punkte fließen zusammen in die Equity Story. Hilfreich ist dabei die Brille des Investors aufzusetzen und sich über die Attraktivität eines Investments Gedanken zu machen: Würde ich selbst in diese Gesellschaft investieren? Auch im Vergleich zu einer Peer-Group aus der Branche und anderen Branchen?

Beispiel 1

Eine Softwarefirma für HR in einem SaaS-Modell erzielt einen Umsatz von knapp 10 Mio. € und einen Cash-Flow von >2 Mio. € p.a. Das Wachstum erfolgt organisch, ohne Venture Capital mit ca. 20 % p.a.

Einordnung: Das Umsatzkriterium wird verfehlt, aber der Cash-Flow ist hervorragend und heilt den (fehlenden) Umsatz, zumal in einem SaaS-Modell weitgehend fixe Einnahmen erzielt werden. Das Wachstum erfolgt ohne Zukäufe und externes Eigenkapital (kein Over Funding) und scheint stabil. In Summe wohl ein geeigneter Kandidat.

Beispiel 2

Ein Projektierer von Kraft-Wärme-gekoppelten Kraftwerken, die mit nachhaltigen Rohstoffen betrieben wird erzielt einen Umsatz von 75 Mio. € und ein knapp positives Ergebnis. Das Wachstum ist beträchtlich und erfolgt durch Neubau weiterer Anlagen.

Einordnung: Die Firma besitzt eine ordentliche Größe und Wachstum. Die Skalierung ist allerdings sehr kapitalintensiv, da für jedes weitere Kraftwerk erheblich Fremdkapital notwendig ist und dieses FK natürlich auch mit EK unterlegt sein muss. (Viele) weitere Kapitalerhöhungen sind absehbar, in Summe daher ein eher ungeeigneter Kandidat.