Aufwertung auf ein besseres Börsenniveau

Einige der mit Reverse Mergers verbundenen Nachteile könnten tatsächlich Merkmale eines Börsengangs über einen weniger regulierten Börsensegment sein. Da ein großer Teil der Reverse-IPOs über Börsen mit niedrigen Transparenzanforderungen oder sogar im Over-the-Counter-(OTC)-Markt stattfindet, könnten viele der typischen Nachteile dieser Unternehmen eher auf das gewählte Börsensegment als auf das Reverse-Merger-Verfahren selbst zurückzuführen sein.

Um die Merkmale von Unternehmen, die über Reverse-IPOs gelistet wurden, und solchen an Börsen mit geringerer Regulierung besser zu verstehen und voneinander abzugrenzen, kategorisierten [Floros und Shastri, 2009] Unternehmen nach Reverse-Merger-Transaktionen in drei Gruppen: aufgewertet, abgewertet oder gleich geblieben – jeweils basierend auf dem Börsensegment zwei Jahre nach dem Börsengang. Ziel war es, Unterschiede zwischen Reverse-Merger-Unternehmen in Abhängigkeit vom jeweiligen Börsensegment zu identifizieren.

[Floros und Shastri, 2009] stellten fest, dass aufgewertete Reverse-Merger-Unternehmen signifikant größer waren, geringere kurzfristige Verbindlichkeiten und niedrigere Rentabilität aufwiesen, jedoch über höhere Liquidität verfügten – gemessen an größeren Bargeldreserven und höherem Working Capital – sowie einen niedrigeren freien Cashflow im Vergleich zu abgewerteten Reverse-Mergers. Aufgewertete Unternehmen zeigten auch eine signifikant größere Unternehmensgröße, gemessen an den Gesamtvermögenswerten und dem Buchwert des Eigenkapitals, sowie eine höhere Liquidität. Zudem wiesen sie deutlich höhere immaterielle Vermögenswerte auf, etwa durch die Entwicklung neuer Patente. Schließlich tätigten diese Unternehmen auch höhere Investitionen in Sachanlagen.

Daraus ergibt sich klar, dass ein Aufstieg in ein liquideres Börsensegment verschiedene Vorteile bietet – was für Unternehmen, die einen Börsengang über ein Reverse Merger planen, strategisch sinnvoll sein kann. Viele der beobachteten Nachteile könnten daher eher auf die Notierung in einem weniger liquiden Marktsegment zurückzuführen sein als auf das Reverse-Merger-Verfahren selbst.

Ein weiterer interessanter Befund war die Häufigkeit von PIPE-Finanzierungen (Private Investment in Public Equity) unter den analysierten aufgewerteten Unternehmen. Dies legt nahe, dass die Kapitalaufnahme durch PIPE-Transaktionen die finanzielle Stärke von Unternehmen, die über Reverse Merger an die Börse gehen, verbessern und deren Chancen auf einen Aufstieg in ein höheres Börsensegment erhöhen kann.

[Floros und Shastri, 2009] beobachteten bei aufgewerteten Unternehmen eine Vervierfachung der Gesamtvermögenswerte, eine Verdreifachung der Bargeldreserven und eine Verfünffachung des Buchwerts des Eigenkapitals – jeweils im Vergleich ein Jahr vor und ein Jahr nach der Aufwertung. In 56 % dieser Fälle wurden PIPE-Finanzierungen durchgeführt, was auf einen erheblichen Einfluss dieser Kapitalzuflüsse auf die finanzielle Entwicklung hindeutet.

Dies deutet darauf hin, dass PIPE-Investitionen eine zentrale Finanzierungsquelle für frisch börsennotierte Unternehmen darstellen können, die für deren Betrieb essenziell und als finanzielle Entscheidung sinnvoll sein können – selbst wenn diese Form der Kapitalaufnahme höhere Kosten verursacht als klassisches Public Equity.

[Floros und Shastri, 2009] folgerten, dass PIPE-Investoren im Reverse-Merger-Prozess eine Art „Zertifizierungsfunktion“ übernehmen, da bei diesem Verfahren keine Investmentbank als Underwriter fungiert. Die Verschuldung dieser Unternehmen steigt langsamer als ihre Aktiva, was zu einem signifikanten Anstieg der Liquidität führt. Darüber hinaus investieren aufgewertete Reverse-Merger-Unternehmen deutlich mehr in immaterielle Vermögenswerte und in Sachanlagen.

Daher kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass PIPE-Transaktionen für diese Unternehmen von zentraler Bedeutung sind, da sie ihnen ermöglichen, ihre Kapazitäten durch neue Investitionen zu erweitern und gleichzeitig eine höhere Liquidität aufrechtzuerhalten. Dies kann wiederum das Vertrauen von Kreditgebern und Investoren in die Zahlungsfähigkeit und finanzielle Stabilität des Unternehmens stärken – was letztlich zu niedrigeren Kapitalkosten führen kann.

Die Autoren schließen ihre Hypothese mit dem Fazit, dass Reverse Mergers eine bequeme Möglichkeit für intransparente Unternehmen darstellen, an die Börse zu gehen – insbesondere für solche, deren interne Mittel erschöpft sind und die keine anderen Finanzierungsquellen haben. PIPE-Finanzierungen stellen in diesen Fällen die benötigten Mittel zum Zeitpunkt des Börsengangs bereit. Da ein Reverse Merger nicht mit einem öffentlichen Angebot verbunden ist, ist die Bewertung von Kostenhürden beim Entscheidungsprozess für oder gegen einen Börsengang in diesem Fall weitgehend irrelevant.

Wie [Anders et al., 2009] festhalten, kann für viele Unternehmen in Deutschland die Notierung im Open Market (Freiverkehr) ein Ausgangspunkt sein, um mittelfristig in ein höheres Börsensegment – idealerweise in den Prime Standard – aufzusteigen. Der Entry Standard, der später noch näher erläutert wird, fungiert dabei als effektives Sprungbrett in den Kapitalmarkt. Er bietet Unternehmen die Möglichkeit, Erfahrungen im Umgang mit der Börse, dem Kapitalmarkt und relevanten Stakeholdern zu sammeln. Ein Unternehmen, das zunächst im Open Market gelistet ist, kann später beispielsweise in das Xetra-Handelssegment aufsteigen – das höchste Segment des deutschen Aktienmarktes.

Den Autoren zufolge ist der Entry Standard besonders gut auf mittelständische Unternehmen zugeschnitten – dies zeigt sich sowohl in deren Umsatzgrößen als auch in den Motiven für den Börsengang. Viele dieser Unternehmen erwirtschafteten vor ihrer Notierung weniger als 10 Millionen Euro pro Jahr. Der Entry Standard ist somit ein zugänglicher Einstiegspunkt für mittelständische Unternehmen, um sich mit dem Kapitalmarkt zu beschäftigen. Im weiteren Verlauf kann dann ein Aufstieg in die höheren Segmente – General oder Prime Standard – erfolgen, um von höherer Transparenz und Liquidität zu profitieren.